Kultur und Brauchtum lebendig zu erhalten, bekannt zu machen und weiterzuentwickeln – dies war und ist das besondere Anliegen der Klingenden Windrose und gilt damit auch für die Entwicklung dieser Kulturgruppe selbst.
Die Klingende Windrose unterscheidet sich von vielen Kulturgruppen durch ihre Zusammensetzung. Die Gruppenmitglieder kommen aus vielen verschiedenen Gemeinden Nordrhein-Westfalens; viele von ihnen waren oder sind Gruppenleiter. Dies erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte der Klingenden Windrose, die sich zu Beginn DJO-Landessing- und Spielschar nannte. Mit dem Entstehen der Kindergruppe 2001 und der Nachwuchsarbeit hat sich die Klingende Windrose zu einer generationsübergreifenden Gruppe mit aktiven Mitgliedern aller Altersstufen entwickelt. Der eigentlichen Gründung 1966 ging eine Phase der Konsolidierung und des Wachsens voraus, welche ein wenig die Geschichte der DJO widerspiegelt.
1951 wurde die DJO Deutsche Jugend des Ostens auf der Burg Ludwigstein in Hessen gegründet. Aus der Heimat vertriebene junge Menschen schlossen sich in Gruppen zusammen. Der Verband, ein Produkt der Geschehnisse am Ende des zweiten Weltkrieges, war von Beginn an überparteilich, überkonfessionell und freiheitlich-demokratisch. Einige der wichtigsten Ziele, die später erweitert wurden, gelten auch heute noch: z. B. Verwirklichung der Menschenrechte, Pflege und Weiterentwicklung des Kulturgutes der Vertreibungsgebiete und des gesamten deutschen Sprachraumes, Mitwirkung am Aufbau Europas. Die Ziele, Inhalte und Vorstellungen waren Bestandteil von Lehrgängen, Tagungen und Begegnungen.
1974 änderte die DJO im Kontext der damaligen neuen Ostpolitik der Bundesrepublik Deutschland unter Bundeskanzler Willy Brandt ihren Namen. Der Verband nennt sich seit dem djo-Deutsche Jugend in Europa, um die europäische Dimension eines friedlichen Zusammenlebens verschiedener Kulturen und Völker in den Vordergrund zu stellen. Als Mitglied des Landesvorstandes der DJO-Nordrhein-Westfalen hatte Barbara Schoch unzählige Seminare und Tagungen geleitet; hauptsächlich, um junge Menschen als Gruppenleiter zu qualifizieren. Hier lag der Schlüssel zur späteren Gruppengründung. Es wuchs der Wunsch, gemeinsam etwas zu gestalten, in der Praxis zu erproben und umzusetzen. So wurden erste Ferienlager für Kinder und Jugendliche durchgeführt. Dann folgten die ersten Auslandsfahrten nach Südtirol, Finnland und Schweden.
Ein Rundschreiben mit einem Anmeldeformular an diese jungen Gruppenleiter, die durch vielerlei Erlebnisse miteinander verbunden waren, stand am Anfang. Die DJO-Landessing- und Spielschar war gegründet. Einige Gründungsmitglieder sind heute, 50 Jahre später, noch aktiv. Barbara Schoch selbst war Gründerin und Gruppenleiterin von 1966 bis 2014. Im Jahr 2015 starb sie im Alter von 81 Jahren.
Die Gruppe ist zu einer festen Gemeinschaft zusammengewachsen, hat sich über Generationen weiterentwickelt und trifft sich bis heute
regelmäßig alle vier bis sechs Wochen, um gemeinsam zu arbeiten. In erster Linie werden Lieder, Tänze und Musikstücke erarbeitet sowie
Programme für besondere Veranstaltungen und Themen erstellt. Die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung internationaler Begegnungen im In- und Ausland spielt eine wichtige Rolle. Dabei
gehört die Aufgabenteilung zu den großen Stärken der Gruppe: Jeder trägt mit seinen persönlichen Fähigkeiten, Interessen und Stärken ein Stück Mitverantwortung für das Gelingen der gemeinsamen
Vorhaben.
Die Spielschar, so wird die Gruppe auch genannt, wird von Verbänden und Institutionen eingeladen, um bei unterschiedlichen
Anlässen kulturelle Programme zu gestalten. Ein wichtiges Anliegen ist der regelmäßige Besuch in sozialen Einrichtungen. Besondere Akzeptanz fand die Gruppe durch die Verleihung des
Anerkennungspreises zum Ostdeutschen Kulturpreis 1981, des Ostdeutschen Kulturpreises für kulturelle Jugendarbeit 1988 und durch die Auszeichnung von Barbara Schoch mit dem Bundesverdienstkreuz
am Bande 1983 unter anderem für die kulturelle Arbeit mit der Klingenden Windrose. Behutsam und vorsichtig wurden die Kontakte ins Ausland
entwickelt. Die Folgen des zweiten Weltkrieges waren deutlich spürbar; es mussten Vorurteile überwunden und neue Brücken geschlagen werden. Die Begegnungen mit anderen Gruppen, der Kontakt mit
den Menschen und das Kennenlernen anderer Kulturen stehen bis heute im Mittelpunkt.
Bei den ersten Veranstaltungen und Begegnungen trugen die Mädchen Dirndl und die Jungen schwarze Bundhosen und weiße Hemden. Nach Besuchen in
Skandinavien, wo wunderschöne Trachten getragen werden, kam der Wunsch auf, auch Originaltrachten zu tragen.
Es gab nur einen Weg:
Vorlagen mussten gesucht und Trachten selbst hergestellt werden. In der ostdeutschen Forschungsstelle Dortmund und im Trachtenarchiv in Innsbruck fand man alte Trachtenfotos und Bücher aus
Ostpreußen, Pommern, Schlesien, Böhmen, Siebenbürgen etc., die als Vorlage dienten. Manche Stoffe mussten selbst gewebt und bestickt werden. Das äußere Erscheinungsbild der Gruppe mit den
unterschiedlichen Originaltrachten hat sich heute als ein Alleinstellungsmerkmal entwickelt.
Als kulturelle Botschafter der
Bundesrepublik reiste die Gruppe in unzählige Länder Europas, flog nach Brasilien, in die USA und Kanada, sowie nach Russland, Kasachstan und Japan. Die Begegnung mit deutschen Vereinen sowie mit
Organisationen der Minderheiten spielte dabei eine wichtige Rolle.
Der Kontakt mit Ländern Osteuropas war zu Zeiten der kommunistischen Herrschaft äußerst schwierig. Als djo-Sing- und Spielschar hätte man niemals eine Einreiseerlaubnis erhalten. So wurde der Name Klingende Windrose gefunden. Unter diesem Namen gelang es 1975, die erste Reise in ein osteuropäisches Land, nach Rumänien, mit dem Hauptziel Siebenbürgen durchzuführen, Kontakte zu knüpfen und Folkloreabende zu gestalten. Reisen nach Ungarn, Polen und Russland folgten mit unermesslichen Eindrücken – der Wille zur Verständigung war überall zu spüren.
Während die Brücken der Verständigung nach Osteuropa aufgebaut wurden, wurden selbstverständlich die Freundschaften mit unseren Partnergruppen in Westeuropa vertieft – sowohl durch Besuche in den Niederlanden, Norwegen, Schweden, Dänemark, Irland, Frankreich und in der Schweiz, als auch bei den internationalen Begegnungswochen.
Sie sind ein besonderer Schwerpunkt der Arbeit der Klingenden Windrose. 1971 wurde in Lette in Ostwestfalen der Anfang gemacht, mit 75 Teilnehmenden aus 4 Ländern. 2013 trafen sich mehr als 200 Teilnehmende aus 8 Ländern zur 21. Internationalen Begegnungswoche in der Jugendherberge Olpe im Sauerland. In diesen vielen Jahren wurden tiefe Freundschaften geknüpft und gefestigt. Verständnis, Toleranz und Vertrauen sind gewachsen, Vorurteile wurden abgebaut. Fremdheit und Andersartigkeit wurden durch die persönliche Begegnung in Vertrautheit verwandelt und als Bereicherung empfunden. Wir erlebten in der Gemeinschaft die Vielfalt und den Reichtum europäischer Kulturen. Schirmherr der bisher letzten Begegnungswoche im Jahr 2013 mit dem Titel „Vorbereitung auf das Europa der Zukunft – Gemeinsam im Einklang“ war Martin Schulz, der damalige Präsident des Europäischen Parlaments.
Die Gründung der European Folk Culture Organisation (EFCO) im Jahr 1996 eröffnete der Klingenden Windrose als Gründungsmitglied die Möglichkeit, die Gedanken von Völkerverständigung, internationalen Kontakten und gemeinsamen Aktivitäten mit ausländischen Gruppen weiter zu entwickeln. Seit dem sind wichtige Impulse für die europäische Jugendkulturarbeit initiiert und viele Internationale Wochen der Begegnung mit besonderen Jugendprojekten organisiert worden.
Im Jahr 2001 wurde die „Kinderspielschar“ gegründet, mit deren Entstehen sich die Struktur der „großen Spielschar“ veränderte. Die Klingende
Windrose hat sich zu einer Gruppe mit aktiven Mitgliedern aller Altersstufen entwickelt. Treffpunkt der Kinder ist alle drei Monate im
djo- Jugendzentrum in Düsseldorf-Rath, besser bekannt als der „Bunker“, und einmal jährlich ein gemeinsames Wochenende in einer Jugendherberge. Das Programm ist bunt: Singen und Tanzen, Spielen
und Basteln, Rhythmusschule und Bewegung, Themenworkshops und Theaterspiel, Musizieren mit vielen verschiedenen Instrumenten. 2008 hatte die Kindergruppe ihre erste Auslandsbegegnung in Irland
mit der Irish International Folk Company in Dublin.
Heute tanzen die Jugendlichen auch schon mal Volkstänze zu aktueller Popmusik
nach dem Motto „Pop meets Folk“ – das geht und macht riesigen Spaß – und alle jungen Menschen der Folkloregruppen aus Europa können dabei mitmachen!
Im Oktober 2014 übergab Barbara Schoch in einem feierlichen Rahmen auf der Freusburg symbolisch ein Schlüsselbund an Andreas Schillings, damit er mit einem starken Team die Klingende Windrose weiterleiten möge. Diese Herausforderung ist bei der Gruppe angekommen; die Aktivitäten haben sich noch intensiviert. Mit dieser Motivation und Stärke will die Klingende Windrose auch in Zukunft ihre Arbeit fortsetzen.
Im Jahr 2016 feierte die Klingende Windrose ihr 50-jähriges Bestehen. Die Kinderspielschar wurde im selben Jahr 15 Jahre alt.